Die Integrationsvereinbarung in Österreich
Personen, die sich rechtmäßig in Österreich niedergelassen haben, sollen möglichst rasch in die österreichische Gesellschaft integriert werden. Hierzu ist es sowohl erforderlich, dass Integrationsförderung angeboten wird als auch dass die betreffenden Personen aktiv daran mitwirken. Zu diesem Zweck wurde unter dem – irreführenden – Begriff „Integrationsvereinbarung“ ein System geschaffen, das den Erwerb von vertieften Kenntnissen der deutschen Sprache sowie der demokratischen Ordnung und der daraus ableitbaren und in Österreich herrschenden Grundprinzipien sicherstellen sollen. Es handelt sich hierbei aber nicht um eine Maßnahme, an der nach Österreich einwandernde Personen freiwillig teilnehmen können, wie es der Begriff „Vereinbarung“ nahelegt, sondern um eine Verpflichtung, die bei der Verleihung oder zur Verlängerung von bestimmten Aufenthaltstiteln zwingend erfüllt werden muss.
Nachziehende Eltern als Beispiel
Oxana ist vor vielen Jahren aus der Ukraine nach Österreich eingewandert. Sie ist mittlerweile bereits österreichische Staatsbürgerin und auch mit einem Österreicher verheiratet. Als Oxana und ihr Mann, die beide berufstätig sind, ihr erstes Kind erwarten, bittet Oxana ihre Mutter aus der Ukraine zu ihr nach Österreich zu ziehen, um sie bei der Kinderbetreuung zu unterstützen. Oxanas Mutter ist damit einverstanden und beantragt eine Niederlassungsbewilligung „Angehöriger“, wodurch sie zwar ein befristetes Aufenthaltsrecht, jedoch keinen Arbeitsmarktzugang in Österreich erhält. Oxanas Mutter hat vor der Antragstellung auch einen Deutschkurs am Goetheinstitut in Kyiv absolviert und kann so bereits Grundkenntnisse der deutschen Sprache auf A1-Niveau des europäischen Referenzrahmens nachweisen.
Da sie auch alle anderen erforderlichen Voraussetzungen nachweisen kann, wird Oxanas Mutter die beantragte Niederlassungsbewilligung „Angehöriger“ erteilt. Zusammen mit der Ausstellung des Aufenthaltstitels wird sie jedoch darauf hingewiesen, dass sie verpflichtet ist, binnen 2 Jahren das Modul 1 der Integrationsvereinbarung zu erfüllen. Sollte sie das nicht schaffen, kann ihr Aufenthaltsrecht nach Ablauf dieser 2 Jahre nicht weiter verlängert werden.
Modul 1 der Integrationsvereinbarung
Um das Modul 1 der Integrationsvereinbarung zu erfüllen, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Dies kann einerseits durch die Ablegung von Prüfungen nachgewiesen werden und zwar durch den Nachweis einer erfolgreichen Integrationsprüfung beim Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) auf Sprachniveau A2 oder aber auch durch den Nachweis einer Integrationsprüfung auf A2 Niveau des „Vereins Österreichisches Sprachdiplom Deutsch“ (ÖSD). Andererseits kann das Modul 1 der Integrationsvereinbarung aber auch durch den Nachweis eines bestimmten Ausbildungsniveaus erbracht werden. Dies ist entweder durch den Nachweis eines Schulabschlusses möglich, der der allgemeinen Universitätsreife entspricht oder durch den Nachweis des Abschlusses einer berufsbildenden mittleren Schule (wie einer Fachschule oder Handelsschule). Darüber hinaus gilt für Personen, denen eine Rot-Weiß-Rot-Karte erteilt wurde, das Modul 1 der Integrationsvereinbarung automatisch als erfüllt. Schließlich gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung auch dann als erfüllt, wenn das Modul 2 erfolgreich absolviert wurde.
Modul 2 der Integrationsvereinbarung
Um das Modul 2 der Integrationsvereinbarung zu erfüllen, müssen Sprachkenntnisse auf B1-Niveau des europäischen Referenzrahmens nachgewiesen werden. Anders als beim Modul 1 besteht aber keine Verpflichtung zur Erfüllung des Moduls 2 zur Verlängerung eines bestehenden Aufenthaltstitels. Die Erfüllung des Moduls 2 ist allerdings eine notwendige Voraussetzung, damit ein „Daueraufenthaltstitel EU“ erteilt oder in weiterer Folge auch die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden kann.
Das Modul 2 kann, so wie auch das Modul 1, durch Ablegung entsprechender Integrationsprüfungen auf B1-Niveau beim ÖIF oder dem ÖSD erfüllt werden. Darüber hinaus gilt das Modul 2 aber auch dann als erfüllt, wenn die betreffende Person minderjährig ist und in Österreich die Volks-, oder Mittelschule besucht (bei Besuch der Mittelschule muss das Unterrichtsfach „Deutsch“ im letzten Schuljahr positiv absolviert worden sein), oder durch Nachweis eines Abschlusses im Unterrichtsfach „Deutsch“ an einer ausländischen Sekundarschule (wobei der Unterricht zumindest über 4 Jahre hindurch besucht worden sein muss), oder durch Nachweis einer Lehrabschlussprüfung in Österreich, oder durch den Nachweis der Absolvierung von zumindest 32 ECTS im Rahmen eines Studiums in Österreich, das auf Deutsch abgehalten wurde.
Ausnahme aus gesundheitlichen Gründen
Oxanas Mutter hält sich aufgrund ihrer Niederlassungsbewilligung „Angehöriger“ seit beinahe zwei Jahren durchgehend in Österreich auf. Sie hat es aber bis dato noch nicht geschafft das Modul 1 der Integrationsvereinbarung zu erfüllen. Sie ist einerseits mit der Betreuung ihrer Enkelkinder ausgelastet und leidet darüber hinaus unter großer Prüfungsangst. Besteht für Oxanas Mutter dennoch eine Möglichkeit, dass ihr Aufenthaltstitel nach zwei Jahren weiter verlängert wird, auch wenn sie die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung nicht nachweisen kann?
Personen, denen aufgrund ihres psychischen oder physischen Gesundheitszustandes nicht zugemutet werden kann das Modul 1 der Integrationsvereinbarung zu erfüllen, sind davon ausgenommen. Dies muss durch ein amtsärztliches Gutachten bestätigt werden. Oxanas Mutter hat jedoch Zweifel daran, ob ihre Prüfungsangst tatsächlich als so schwerwiegende psychische Einschränkung anerkannt wird, dass dies tatsächlich als Ausnahmegrund von einem Amtsarzt bestätigt wird.
Verlängerung der Erfüllungspflicht
Oxanas Mutter steht darüber hinaus aber auch noch die Möglichkeit offen, eine Verlängerung der Erfüllungspflicht des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung um bis zu 12 Monate zu beantragen. Bei der Entscheidung über solch einen Verlängerungsantrag hat die Behörde auf die konkreten Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen Bedacht zu nehmen. Hierbei kann die Mehrfachbelastung von Oxanas Mutter mit Kinderbetreuung und Prüfungsangst sehr wohl eine gewichtige Rolle spielen. Auch wenn Oxanas Mutter die Verpflichtung zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung nicht vermeiden kann, so kann sie durch einen Antrag auf Verlängerung der Erfüllungspflicht bis zu einem Jahr Zeit gewinnen, um die erforderliche Prüfung abzulegen.